Das BBC-College of Journalism hat eine Studie zur Zukunft des Journalismus veröffentlicht. Es ist eine lesenswerte Sammlung der Beiträge einer Medienkonferenz, welche sich mit den Auswirkungen des neuen digitalen Zeitalters für den Journalismus befasst hat.
In dieser Studie gehen insgesamt acht Fachautoren auf unterschiedliche Punkte ein, welche im Folgenden kurz für Sie zusammengefasst werden:
Kapitel 1: End of “fortress journalism” (Peter Horrocks – BBC World Service)
Journalisten befinden sich durch den zunehmenden wirtschaftlichen Druck und durch das Internet nicht mehr in ihrer geschützten Blase. Es gibt keine feste Aufteilung mehr nach Plattformen, die Formate von Radio, TV, Tageszeitung und Magazinen wachsen zusammen.
Diese Veränderungen sind von vielen Journalisten aber noch nicht verstanden worden, vom Nutzer dagegen schon. Diese nutzen schon unterschiedlichste Medien, um ihre Information bestmöglich selbst zusammenzustellen.
Die Nutzer wünschen sich immer noch redaktionell aufbereitete Informationen. Doch durch das Zusammenwachsen der Informationen ändert sich die Bindung an einen Nachrichtenanbieter. Der Nutzer geht zum “bestmöglichen” Anbieter. Eine mögliche Folge für den Journalisten: “Cover what you do best. Link the rest”. Doch das System des Verlinkens ist im Journalismus noch nicht wirklich angekommen.
Innerhalb der BBC News sind die Schranken zwischen den einzelnen Abteilungen aufgehoben worden und Inhalte werden geteilt. In Zukunft auch mit externen Partnern. Ziel ist eine größtmögliche Effizienz und Ausrichtung an den Bedürfnissen der Nutzer.
Kapitel 2: Introducing Multimedia to the newsroom (Zoe Smith – Online Broadcast Journalist for ITV)
Wer nicht in die Zukunft des Internets investiert läuft Gefahr, von der Jugend nicht mehr wahrgenommen zu werden. Bei Jugendlichen spielt das Internet als Informationsmedium eine wesentlich größere Rolle als das Fernsehen. Der multiplattform Journalismus ist bereits die Gegenwart und nicht die Zukunft.
Der klassische Journalismus ändert sich. Open Source Technologie und die Kooperation mit externen Partnern sind ein Baustein in der geteilten Medienwelt. Doch auch Berufsbild selbst ändert sich. Programmierer sollten integraler Bestandteil des journalistischen Teams werden bzw. Journalisten sollten über Grundwissen des Programmierens verfügen.
Darüber hinaus ändert sich auch das Ausgabemedium des Internets. Mehr und mehr Menschen nutzen das Handy, um Informationen zu bekommen.
Die Jugend, welche das Fernsehen nicht mehr erreicht, ist auch an Nachrichten interessiert, der Schlüssel liegt darin, diese in einem Format zu präsentieren, welches sie auch nutzen wollen.
Kapitel 3: Multimedia Reporting in the field (Guy Pelham – Live Editor BBC Newsgathering)
Es ist zum Teil problematisch für den Reporter im Feld alle multimedialen Wünsche zu befriedigen. Daher liegt der größte Feind in der Zeit. In der Kürze der Zeit, welche für Nachrichten häufig gegeben ist, ist es schwer bis unmöglich, alle Formate gleich gut bedienen zu können. Zudem ist es für den einzelnen Reporter schwierig, alle Formate gleich gut beherrschen zu können. Hilfreich wäre es, die Reporterteams zu erweitern und so alle Formate bearbeiten zu können.
Die Technik ermöglicht mittlerweile dem einzelnen Reporter, weltweit tätig zu sein und weltweit in Echtzeit seine Beiträge senden zu können. Da liegt auch das Problem, da Redaktionen mittlerweile von dem Reporter mehr und schneller Berichte erwarten, ohne allerdings die Teamsaufzustocken.
Kapitel 4: Dealing with User Generated Content: is it Woth it? (Paul Hambleton – Executive Producer of Televison Newsgathering)
Journalisten tun sich immer noch schwer, User Generated Content (UGC) richtig einzuordnen. Dieser ist eine Möglichkeit für den normalen Menschen, in die noble Welt des Journalismus einzudringen. Leider besteht die Gefahr, dass dies häufig von extremen Randgruppen genutzt wird. Daher ist UGC auch immer von den redaktionellen Inhalten zu trennen.
Fraglich ist, wie man die Nutzer sinnvoll einbindend? Viele Nutzer erwarten bei traditionellen Medien, dass ihre Kommentare mit einem journalistischen Standard behandelt werden. Vielfach sind sie die wahren Experten in einem Thema. Wie kann man diese Menschen erreichen, die extremen aber ausschließen? Antwort: durch eine Moderation.
Kapitel 5: Video Games: a New Medium for Journalism (Philip Trippenbach – TV Journalist in New York)
Videospiele sind das jüngste und am schnellsten wachsende Medium der Welt und haben sich mittlerweile als Mainstream-Medium etabliert. Diese Videospiele sind neben der reinen Unterhaltungsfunktion auch als Instrument zur Wissensvermittlung einsetzbar.
Aber können diese auch journalistisch eingesetzt werden?
Viele Spiele sind mittlerweile von einer überragenden Realität und werden häufig zu Trainingszwecken eingesetzt. Hier könnten diese auch für den Journalisten interessant werden. Es kann den Journalisten auf die komplexen Probleme einer Reportage vorbereiten. Viele verschiedene Faktoren, welche alle in einem Videospiel simuliert werden können, beeinflussen den Erfolg oder Misserfolg seiner “journalistischen Mission”. So kann das wichtige Wissen von komplexen gesellschaftlichen Verknüpfungen und Zusammenhänge spielerisch vermittelt werden.
Kapitel 6: The Audience and News (Matthew Eltringham – BBC News UGC Hub (user-generated content))
Die BBC erhält jeden Tag 10.000 bis 12.000 E-Mails, viele mit Videos, Texten und Audiomitschnitten und stellt aus diesen ihre Nachrichten zusammen.
Zu vielen Berichten erhält die BBC ein großes Feedback ihrer Leser und ist bemüht, auf dieses in der laufenden Berichterstattung einzugehen und die herrschende Meinung der Bevölkerung zu vermitteln. Je nach Situation tritt man auch in einen bewussten Dialog mit den Nutzern und macht sich das besondere Wissen Einzelner zu eigen.
Soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook und FlickR dienen zum einen, mit dem Nutzer in Kontakt zu kommen, aber auch um Nachrichten zu verbreiten. Twitter wird mittlerweile als gängiges Werkzeug für “breaking news” eingesetzt.
Kapitel 7: Delivering Multiplatform Journalism to the Mainstream (Derren Lawford – Journalist BBC)
Inhalte können je nach Medium unterschiedlich aufbereitet werden und so eine bestmögliche Nutzung der Stärken des jeweiligen Mediums erreicht werden.
Es können sowohl die Plattformen von BBC, als auch die externer Partner genutzt werden. Dabei kann eine Langzeitwirkung von Programmen erreicht werden – das klassische “versenden” wird weniger. Zudem ist gerade im Internet ein wesentlich bessere Überprüfung der Reaktionen (Kommentare) möglich.
Kapitel 8: Death of the Story (Kevin Marsh – Editor of the BBC College of Journalism)
Die “Story” zu erzählen war früher eine der Hauptaufgaben des Journalisten.
Dieses hat sich durch die Umwälzungen in der journalistischen Arbeit geändert.
Es gibt drei Gründe für das Sterben dieser journalistischen Erzählform
1. Mit der klassischen “Story” lassen sich viele Formen der modernen Kommunikation nicht bedienen.
2. Der Leser misstraut mittlerweile der journalistischen “Story”, sie gibt ihm nicht die Information, welche er sucht.
3. Durch das Internet wird die “Story” des Journalisten nicht mehr benötigt, da der Leser seine eigene “Story” sucht und nicht mehr auf die journalistische Story angewiesen ist.
Das Wichtigste bei dem heutigen Journalismus ist die Art und Weise, wie Informationen vermittelt werden. Der Tod der “Story” bedeutet jedoch nicht, dass die Form des narrativen Schreibens ausstirbt – der klassische Aufbau der “Story” wird jedoch nicht überleben. Früher konnte der Journalist Kontext und Hintergründe kontrollieren, dies ist nicht mehr möglich. Leser können heute selbst Hintergründe recherchieren – diese müssen folglich durch den Journalisten angeboten werden.
Nachrichtenseiten (zB BBC) werden von vielen Lesern nur als die Seite wahrgenommen, welche sich hinter einem googlenews-Link verbirgt – teilweise wird google sogar schon als Anbieter der Nachricht verstanden.
Es wird in Zukunft nicht mehr die klassische, abgeschlossene Story geben – vielmehr werden Nachrichtengeschichten immer weiter erzählt.
Leser suchen den Inhalt einer Nachricht, nicht wie diese geschrieben ist.
Download
Die Studie der BBC “The Future of Journalism – Papers from a conference organised by the BBC College of Journalism” kann als pdf bei der bbc heruntergeladen werden.
http://www.bbc.co.uk/blogs/theeditors/future_of_journalism.pdf